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L’amour toujours und die Urheberrechtsfrage
Verfasser: Mag. Emre Ünal, LL.M., 07/24
kanzlei@suppan.eu
Wohl jede:r kennt ein Lied des italienischen Musikproduzenten Gigi D’Agostino, dessen unverfängliche und eingängige Musik nur oft genug Anlass für einen Ohrwurm ist. Insbesondere in den Sommermonaten sorgen die Lieder des Italieners für gute Laune und Partystimmung und finden sich in fast jeder Playlist. So auch das weltbekannte Lied „L’amour toujours“, in dem das lyrische Ich seine Liebe zu einer anderen Person beschreibt.
Fans der österreichischen Fußballnationalmannschaft ist das Lied besonders gut bekannt, wurden Spiele und Siege der Nationalmannschaft bis vor der Europameisterschaft 2024 doch auch vom ÖFB mit diesem Lied zelebriert und Fußballfans im Stadion und außerhalb regelrecht in Ekstase versetzt. Aufmerksamen Zuhörer:innen ist sicherlich aufgefallen, dass trotz einem historischen Sieg gegen die Niederlande sowie dem Einzug als Gruppenerster der „Todesgruppe“ in das Achtelfinale der Europameisterschaft 2024 nicht mit „L’amour toujours“ gefeiert wurde. Auch im weiteren Verlauf des Turniers wird uns das Lied fehlen.
Der Grund dafür ist sehr schnell gefunden: Der Ausrichter der Europameisterschaft, der Europäische Fußballverband (UEFA), hat dem Österreichischen Fußballbund das Abspielen dieses Liedes bei der Europameisterschaft verboten. Anlass hierfür ist ein medial bekanntgewordener Vorfall auf Sylt. Am Pfingstwochenende skandierte dort nämlich eine Gruppe junger Menschen unter Veränderung des Liedtextes rassistische und rechtsextreme Parolen zur Hintergrundmelodie des Liedes. Folge war eine breite öffentliche Empörungswelle, denn aus Liebe zu einer anderen Person, Beistand und gemeinsamer Zukunft wurde Hass, Ausgrenzung und Abschiebung.
Doch abseits von Politik, Moral und Fußball – wie sieht es eigentlich urheberrechtlich mit eigenmächtiger Veränderung von Liedtexten aus?
Grundsätzliches
In Österreich schützt das Urheberrechtsgesetz (UrhG) die Rechte von Urheber:innen an ihren Werken. Dazu gehört nicht nur das Recht, über die öffentliche Verwertung und Vervielfältigung des Werkes zu bestimmen, sondern auch das Recht auf Integrität und Bearbeitung des Werkes.
§ 5 UrhG – Bearbeitungen
Im Zusammenhang mit der Veränderung des Liedtextes ist an § 5 UrhG zu denken, wonach Übersetzungen und andere Bearbeitungen wie Originalwerke geschützt werden können, wenn das durch die Bearbeitung entstandene Werk selber die Voraussetzungen an ein „Werk“ iSd UrhG erfüllen. Ein „Werk“ in diesem Sinne ist eine „eigentümliche geistige Schöpfung“ auf den Gebieten der Literatur, der Tonkunst, der bildenden Künste und der Filmkunst. Dieser sperrige Begriff verlangt von Werken ein gewisses Maß an Individualität und Originalität. Erst dann soll das Werk nach dem UrhG geschützt sein, was – wenig überraschend – stets im konkreten Einzelfall beurteilt werden muss.
Doch nicht jede Bearbeitung ist eine Bearbeitung iSd § 5 UrhG. Es ist nämlich erforderlich, dass das bearbeitete Werk in seinem Wesen unberührt bleibt, der äußeren Form des Werkes aber eine neue Gestalt gegeben wird, die als eigentümliche geistige Schöpfung des Bearbeiters zu werten ist – ein „persönlicher Touch“ also. Die bisherige Rechtsprechung ist bei der Bejahung des Vorliegens einer schutzwürdigen Bearbeitung im Sinne der „Original-Urheber:innen“ zwar eher zurückhaltend, erkennt eine solche in Cover-Versionen oder musikalischem Potpourri dennoch regelmäßig an. Eine neue Betextung hingegen unter Beibehaltung der eindringlichen Originalmelodie wird wohl zu wenig individuell und originell sein, um sie als Bearbeitung iSd § 5 UrhG anzusehen und der „eingedeutschten“ Version „L’amour toujours“ Urheberrechtsschutz zu gewähren.
§ 21 UrhG – Werkschutz
Abseits einer allfälligen Bearbeitung gewährt das UrhG Urheber:innen das Recht, jede Entstellung oder andere Beeinträchtigung ihres Werkes zu verbieten, die ihre berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk gefährden. Dies gilt sogar dann, wenn Urheber:innen der Nutzung ihrer Werke grundsätzlich zugestimmt haben. Das ist grundsätzlich auch konsequent, da man Urheber:innen nicht unterstellen kann, jede nur erdenkliche, noch so benachteiligende Nutzung vorauszusehen und pauschal tolerieren zu wollen.
Die Veränderung des Liedtextes und dessen Nutzung in einem rechtsextremen Kontext können also als solche Beeinträchtigungen angesehen werden. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Entstellung nämlich ein besonders schwerwiegender Fall der Beeinträchtigung eines Werks, die eine tiefgreifend verändernde, verfälschende, verzerrende oder zerstückelnde Einwirkung entfaltet, durch die das Werk eine andere Aussage, Färbung oder Tendenz erhält. Ein solcher Sinneswandel und folglich eine Verletzung des Urheberrechts sind zweifelsfrei gegeben, wenn aus romantischem Beistand gesellschaftliche Ausgrenzung wird. Dabei wird (auch) die wirtschaftliche Komponente der Entstellung zu berücksichtigen sein, brechen dem italienischen Künstler doch aufgrund der Liedmanipulation und des UEFA-Verbots Einnahmen weg.
Konsequenzen für Rechtsverletzer:innen nach dem UrhG
Das UrhG sieht für eine Urheberrechtsverletzung sowohl zivil- als auch strafrechtliche Folgen vor, wobei die strafrechtlichen Sanktionen (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe) in der Praxis eine eher untergeordnete Rolle spielen.
Praxisrelevant sind vielmehr die zivilrechtlichen Ansprüche der Urheber:innen auf Unterlassung, Beseitigung, angemessenes Entgelt und Schadenersatz.
Zweck des Unterlassungsanspruches ist es, die weitere rechtswidrige Nutzung zu unterbinden. In der Regel werden Unterlassungsklagen mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbunden, um eine sofortige Unterlassung der Nutzung zu erreichen. Möglich ist auch eine vorbeugende Unterlassungsklage, sollte eine erstmalige Urheberrechtsverletzung unmittelbar bevorstehen.
Daneben haben Urheber:innen einen Beseitigungsanspruch gegen Rechtsverletzer:innen, dessen Zweck die Beseitigung des urheberrechtsverletzenden Zustandes ist. Dies erfolgt bei physischen Gegenständen durch Vernichtung, bei digitalen Inhalten durch Löschung.
Finanzielle Entschädigung erhalten Urheber:innen durch die Geltendmachung des angemessenen Entgelts, das jenes Entgelt darstellt, das üblicherweise für die Einräumung einer Nutzungsberechtigung für dieses Werk im Vorhinein bezahlt wird (Lizenzgebühr).
Während der Anspruch auf Unterlassung, Beseitigung oder angemessenes Entgelt nicht von einem Verschulden der Urheberrechtsverletzer:innen abhängt, setzt der Anspruch auf Schadenersatz ein Verschulden voraus. Der Vorteil des Schadenersatzanspruches liegt aber darin, dass damit auch der entgangene Gewinn der Urheber:innen geltend gemacht werden kann, was im konkreten Fall aufgrund der ausgesprochenen Verbote und dem Wegfall der Einnahmequelle durchaus relevant sein kann. Nachdem der Schaden nicht oder nur mit erheblichem Aufwand konkret beziffert werden kann, hat der Gesetzgeber als Alternative einen „pauschalen Schadenersatz“ in Höhe des Doppelten des angemessenen Entgelts vorgesehen. Diesem kommt in der Praxis besondere Bedeutung zu.
Und die Beteiligten?
Aus urheberrechtlicher Sicht dürfen in der Analyse des Vorfalles die Rechte der Urheberrechtsverletzer:innen nicht unberücksichtigt bleiben. Müssen sich die Beteiligten ihre öffentliche Zurschaustellung gefallen lassen?
Nein, sagt das Landgericht München in seiner aktuellen Entscheidung vom 12.06.2024 (26 O 6325/24; im Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrages nicht rechtskräftig) und verbietet es (hier konkret) der BILD-Zeitung, das Video derart zu veröffentlichen, dass die Beteiligten auf dem Video erkennbar sind. Das Video darf also nur verpixelt verwendet werden, woran sich andere Medien bereits gehalten haben bzw. spätestens seit dieser Entscheidung halten werden.
Die Entscheidung ist im Persönlichkeitsrecht des Bildnisschutzes begründet, das sich in Österreich in § 78 UrhG findet. Diese kurze Gesetzesbestimmung normiert (zusammengefasst), dass Bildnisse von Personen nicht veröffentlicht werden, wenn dadurch berechtigte Interessen der Abgebildeten verletzt werden (können). Das LG München beschränkt seine Entscheidungsbegründung auf einen Verweis auf den Antrag einer Beteiligten, die ihre Interessen darin verletzt sieht, dass sie durch das Video und seiner breiten medialen Berichterstattung eine Bloßstellung ihrer Person und Stigmatisierung erfahre, die bis zur Existenzvernichtung gehen könne. Tatsächlich hatten einige Arbeitgeber:innen der im Video ersichtlichen Personen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses angekündigt. Davon abgesehen wurden zahlreiche Hausverbote gegen die Beteiligten ausgesprochen.
Wenngleich also Vorfälle wie in Sylt aufzuzeigen sind, darf nach § 78 UrhG nicht generell auf Personen gezeigt werden.
Ausblick
Insbesondere in Zeiten von Social-Media und Internetauftritten sehen sich vermehrt Personen mit Ansprüchen nach dem Urheberrechtsgesetz konfrontiert. Darf ich online verfügbare Bilder auf meinem Social-Media-Kanal veröffentlichen? Darf jemand meine Instagram-Inhalte in seiner Story veröffentlichen? Unsere Kanzlei berät Sie umfassend zu Fragen der Urheber- und Persönlichkeitsschutzrechte und ist Ihnen gerne bei der Geltendmachung Ihrer Ansprüche sowie Abwehr fremder Ansprüche behilflich.