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Hemmung des Kindesunterhalts durch Work & Travel?

Verfasserin: Mag.a Claudia Spiegl, 04/25
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Immer mehr junge Erwachsene nutzen die Möglichkeit, sich einen Tapetenwechsel zu gönnen und für längere Zeit ins Ausland zu gehen – etwa im Rahmen eines Work & Travel-Aufenthalts oder in Form von Backpacking.
Unlängst hat sich der OGH in seiner Entscheidung (3 Ob 22/25v) mit der Frage auseinandergesetzt, welche Auswirkungen ein einjähriger Auslandsaufenthalt auf den gesetzlichen Kindesunterhaltsanspruch eines volljährigen Kindes nach bestandener Matura und vor Studienbeginn hat. Zu dieser Entscheidung im Detail:
Einleitend ist festzuhalten, dass § 231 ABGB den gesetzlichen Unterhaltsanspruch von Kindern regelt. Das Gesetz geht grundsätzlich davon aus, dass der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, dadurch seinen Unterhaltsbeitrag leistet, während der andere Elternteil Geldunterhalt leistet.
Die Rechtsprechung hat weiters zur Bemessung des Kindesunterhalts Prozentsätze ausgearbeitet, die je nach Alter des Kindes zwischen 16% und 22% der Unterhaltsbemessungsgrundlage (Nettoeinkommen der/des Unterhaltspflichtigen) liegen.
Als Eltern haben Sie Ihrem Kind von der Geburt bis zur sog. „Selbsterhaltungsfähigkeit“ Unterhalt zu leisten und kann dies bis zum erfolgreichen Abschluss eines Doktoratsstudiums der Fall sein.
Liegt für den OGH diese Selbsterhaltungsfähigkeit sohin bei einem volljährigen Kind während einem Work & Travel Jahr in Australien vor?
Das Höchstgericht hat bereits in älteren Entscheidungen festgestellt, dass ein Au-Pair, welches neben Kost und Quartier von der Gastfamilie lediglich ein Taschengeld erhält, grundsätzlich nicht selbsterhaltungsfähig ist.
In seiner aktuellen Work & Travel Entscheidung ist der OGH von dieser Judikaturlinie nicht abgewichen und zu dem Ergebnis gekommen, dass auch das volljährige Kind während seines/ihres 1-jährigen Work & Travel Programmes nicht selbsterhaltungsfähig ist. Begründend führte er zusammengefasst aus, dass die Tätigkeit, mit der eines Au-Pairs vergleichbar ist, denn während der konkreten Work & Travel Erfahrung des volljährigen Kindes hatte dieses keine nennenswerten Arbeitseinkünfte erzielt und war zeitweise (nur) gegen freie Kost und Logis bei einer Gastfamilie untergebracht.
Der OGH gibt sohin dem volljährigen Kind die Möglichkeit außerhalb des gewohnten Umfelds erste Berufserfahrungen zu sammeln, Englischkenntnisse zu verbessern, die Selbständigkeit zu erhöhen und nicht zuletzt auch mehr Klarheit über den künftig einzuschlagenden Berufsweg bzw. die weitere (universitäre oder sonstige) Ausbildung zu gewinnen. Eine solche „Auszeit“ und Tapetenwechsel ist den jungen Erwachsenen also offenbar durchaus gegönnt.
Im Ergebnis bedeutet dies für den Elternteil, dass der Kindesunterhaltsanspruch für derartige Work & Travel Reisen nicht gehemmt ist und weiterhin Kindesunterhalt zu bezahlen ist und in weiterer Folge auch ein anschließendes Studium finanziert werden muss.
Grundsätzlich gilt, dass beide Elternteile zu Geldunterhalt verpflichtet sind, wenn sich das unterhaltsberechtigte Kind nicht mehr im Haushalt (z.B. eigene Wohnung) eines Elternteils befindet. In der thematisierten Entscheidung ließ der OGH die Auswirkungen auf den naturalunterhaltsleistenden Elternteil unbeleuchtet.
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