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Bruch der Verhütungsspirale – Schmerzengeldanspruch?
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat in einer durchwegs „sensiblen“ Angelegenheit rund um eine schadhafte Verhütungsspirale zu entscheiden gehabt (OGH 20.4.2023, 2 Ob 51/23y).
Im Zuge einer geplanten Entnahme der Verhütungsspirale ist ein Seitenärmchen der Spirale abgerissen, welches von der Ärztin nicht entfernt werden konnte. Zuerst wurde der Frau ein Hormonpräparat verschrieben und empfohlen, zwei Menstruationen abzuwarten. Da der gewünschte Erfolg, nämlich der Abgang des Ärmchens auf natürlichem Weg, nicht eintrat, ließ die Frau das Seitenärmchen der Spirale operativ entfernen. Aufgrund der damaligen Corona-Situation (Verschiebung nicht lebensnotwendiger Operationen) hat sich die Frau in einer Privatklinik behandeln lassen.
Nach dem Produkthaftungsgesetz haftet der Produzent für den Ersatz des Schadens, wenn durch den Fehler eines Produktes ein Mensch am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt wird. Gegenständlich wurde eine Körperverletzung, die durch einen Produktfehler verursacht wurde, bejaht.
Die Frau litt aufgrund des Fremdkörpers unter einer psychischen Belastung und an Schmerzen aufgrund der Entnahmeversuche des Seitenärmchens und der Operation.
In zweiter Instanz wurden der Frau EUR 2.500,00 an Schmerzengeld zugesprochen. Der freiwillige Weg in die Privatklinik, den sie gewählt habe, sei jedoch mangels Rechtfertigung nicht ersetzbar. Der OGH sprach in Dritter Instanz letztlich aus, dass der Frau auch die Kosten für den Eingriff in der Privatklinik zu ersetzen sind, da er die Situation als so belastend für die Frau anerkannte, dass es nachvollziehbar und medizinisch vernünftig war, dass sie aufgrund der Corona-Situation nicht auf einen OP-Termin in einem öffentlichen Krankenhaus warten habe wollen. An Schmerzengeld wurden ihr jedoch nur mehr EUR 500 anstatt EUR 2.500 zugesprochen.
Was fällt alles unter den Begriff „Schmerzengeld“?
Schmerzengeld ist ein Schadenersatzanspruch, welcher der verletzten Person bei Körperverletzungen und seelischen Schmerzen zusteht.
Wesentlich ist auch: Schmerzengeld hat keinen Strafcharakter, sondern erfüllt lediglich eine Ausgleichsfunkton.
Wie wird Schmerzengeld bemessen?
Nach dem OGH ist das Schmerzengeld „global“ zu bemessen. Es hat sich in Österreich das Tagessatzsystem („Schmerzengeldtabelle“) etabliert, wobei kein Anspruch auf einen gewissen Tagsatz besteht.
Dabei werden vor allem die Dauer und Intensität der Schmerzen sowie die Schwere der Beeinträchtigung berücksichtigt. Wie so oft, ist es stets eine Einzelfallentscheidung und entscheidet das Gericht nach Billigkeit und freier Überzeugung. In der Praxis werden Dauer und Intensität der Schmerzen grundsätzlich von einer sachverständigen Person beurteilt.
Schmerzengeldzusprüche in Österreich – Beispiele aus der Rechtsprechung
Für die korrekte Beurteilung der Höhe des Schmerzengeldanspruchs orientiert man sich regelmäßig an bereits bestehender Rechtsprechung, wobei die Gerichte eher zurückhaltend sind und hohe Beträge nur in Ausnahmefällen zugesprochen werden.
2021 etwa wurde einem durch einen Mountainbikeunfall querschnittsgelähmten 53-jährigen Mann, dessen Atmung aufgrund des Unfalles dauerhaft schwer beeinträchtigt wurde und der unter schweren dauerhaften Schmerzen leidet, der bislang höchste vom OGH zugesprochene Schmerzengeldbetrag iHv EUR 320.000 (Valorisierung EUR 380.700) zugesprochen.
Einen Schmerzengeldbetrag iHv EUR 250.000 erhielt 2016 (Valorisierung EUR 317.800) vom LG Innsbruck ein neunjähriges Mädchen. Aufgrund eines Arztfehlers leidet diese seit dem zweiten Lebensmonat an einer irreparablen Hirnschädigung, welche unter anderem mit absoluter Immobilität und der Unfähigkeit, Sprache zur Interaktion zu nutzen, einhergeht.
Für eine Verstauchung des linken Sprunggelenks mit Prellung und Abschürfung des Knöchels und Knie sowie einer Verstauchung des Mittelgelenks am Finger wurden (nur) EUR 4.500 zugesprochen.
Es fällt zwar nicht leicht, für physische/psychische Schmerzen einen angemessenen Geldwert als Entschädigungsform zu bestimmen. Die Ausgleichsfunktion und nach der Rechtsprechung entwickelten „Richtwerte“ sind jedoch in Relation zu den tatsächlich erlittenen Beeinträchtigungen oftmals vergleichsweise gering, wie auch die oben dargestellte Entscheidung zeigt.
Sollten Sie im Rahmen der Geltendmachung Ihrer Schadenersatzansprüche professionelle Unterstützung benötigen, stehen wir Ihnen gerne unter [email protected] für Ihre rechtlichen Anliegen zur Verfügung.
Verfasser: Mag. Georg Wiedmann, 09/23